Wohnen

Industrie im Dorf bedeutete auch, dass mit den Wohnungen und Wohnhäusern der Arbeiter neue Zonen entstanden. Die Wohnsituation der Fabriksarbeiter gestaltete sich in den verschiedenen Phasen der Industrialisierung unterschiedlich. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der steigende Bedarf an Wohnraum über verdichtete Belegung und Umbauten vorhandener Wohnungen in alten Häusern geregelt. Oft besaß eine Firma ganze Straßenzüge einer Gemeinde. Trotz der Entstehung neuer Bautypen blieb das Leben im Bauernhaus sehr lange die häufigste Wohnform.1 Jenseits davon entstanden mit dem Zuzug von auswärtigen Arbeitern, besonders von jungen, weiblichen Arbeitskräften, Kosthäuser oder Mädchenwohnheime. Zur Führung und Aufsicht über solche Frauenunterkünfte wurden meist geistliche Schwestern bestellt, wie das zum Beispiel in Bürs der Fall war. Der Werkswohnungsbau hat im 19. Jahrhundert begonnen und war bis Ende des 20. Jahrhunderts bei Großbetrieben wie Getzner und Ganahl üblich. Rund um die Fabriken entstanden hauptsächlich einzelne Wohnblocks. Die Unternehmen förderten nach 1945 auch durch Kredite oder günstige Grundverkäufe den Bau von Wohnbau-Selbsthilfe-Anlagen, um der Wohnungsnot Abhilfe zu schaffen und Arbeiterfamilien an den Betrieb zu binden, wie das z.B. in der Siedlung in der Thüringer Au der Fall war.2

Und letztendlich hat auch der Bau von Südtirolersiedlungen Anfang der 1940er-Jahre indirekt mit der Industrialisierung zu tun. Die aus Südtirol nach dem Hitler-Mussolini Abkommen abgewanderten Südtiroler waren als Arbeitskräfte von der Vorarlberger Industrie höchst willkommen. Ein Beispiel im Walgau ist die Siedlung in Bludenz.

  • 1. Wanner, S. 270
  • 2. Barbara Motter: Die Ära Rudolf Kastner und die Thüringer Fabrik, hg. v. Verein Villa Falkenhorst, Bludenz 2014, S. 38