Industrieschauplatz Thüringen

In Thüringen begann die Industrialisierung wie in den anderen Dörfern des Walgaus in den 1830er-Jahren des 19. Jahrhunderts. Das Dorf wurde von ausländischen Unternehmern „entdeckt“ – der Engländer Peter Kennedy, die Schweizer Hans Caspar und Albert Escher und der aus Schottland stammende Adelige John Douglass baute 1835 – 37 am Schwarzbach unterhalb des eindrucksvollen Wasserfalls eine Spinnfabrik, die bald in den Alleinbesitz der Familie Douglass überging.

Mit der Gründung kamen Textilfacharbeiter aus dem Elsaß und aus Graubünden in die kleine, bäuerlich geprägte Gemeinde. Die zum Teil protestantischen Einwanderer wurden von der Dorfbevölkerung skeptisch betrachtet, ihre Zusammenballung im fabrikseigenen Kosthaus wurde ebenfalls beanstandet. Auch die Familie Douglass, die zu den Mitgründern der evangelischen Gemeinde in Vorarlberg zählte, wurde von der Geistlichkeit heftig kritisiert.

Die räumliche Besonderheit der Fabriksanlage in Thüringen war die steile Hanglage, die sich aufgrund der Nutzung des Schwarzbachs ergeben hatte, und der weitum sichtbare, breite Fabrikshochbau mit einem auffällig großen Kosthaus in unmittelbarer Nachbarschaft. In die Ära Douglass fällt auch der Bau der heutigen Faschinastraße, die hinter der Fabrik in Richtung Großes Walsertal verläuft. Zudem wurden die zwei Montiola-Weiher und verschiedenen Wasserleitungen oberhalb des Wasserfalls ausgebaut.

Einzigartig ist auch die frühhistoristische, von Zeitgenossen bewunderte Villa Falkenhorst – der Wohnsitz der Gründerfamilie auf einem Aussichtplateau im Ortsteil Flugelin. Dort lebte auch das bekannteste  Familienmitglied, John Sholto Douglass, der ein bekannter Alpinist, Natur- und Heimatforscher war. Nach dem Rückzug des letzten Douglass erwarb der Fabriksdirektor Heinrich Wintsch für kurze Zeit das Unternehmen. 1909 wurde die Fabrik an den Wiener Kaufmannssohn Rudolf Kastner weiterverkauft. Damit begann eine lange, bis zur Liquidierung 1967 dauernde Ära.

Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme musste Rudolf Kastner, der nach der NS-Doktrin Halbjude war, aus dem Unternehmen ausscheiden. Der Textilbetrieb stand zeitweise still, in der Neuen Weberei stellte die Stuttgarter Firma Elektron & Co Flugzeugräder her. Unterhalb der Färberei wurde ein Barackenlager für Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen wurde errichtet. Nach dem Krieg übernahm Rudolf Kastner wieder die Leitung des Gesamtunternehmens. 1967 wurde der Betrieb von seinen Nachkommen aber wegen wirtschaftlichen Schwierigkeiten stillgelegt. Nachfolgebesitzer eines Teils der Gebäude wurde die Tisca GmbH ein Tochterunternehmen eines Appenzeller Teppichherstellers.  Der Götzner Wirkwarenhersteller Huber mietete einen Teil des Hauptgebäudes und richtete eine Näherei ein, die bis 1982 existierte. Die Spinnerei und die meisten Werkswohnhäuser wurden 1970 vom Kunststoffverarbeiter Allplast, später Sivoplast, erworben. Schließlich übernahm die Gemeinde Thüringen 1985 das gesamte Fabriksareal, der Großteil der Anlage wurde abgerissen, geblieben ist der Rumpf des ursprünglichen Spinnerei-Hauptgebäudes, der zu einem Wohnblock umfunktioniert wurde. Die Villa Falkenhorst kam ebenfalls in Gemeindebesitz, wurde vom Bund unter Denkmalschutz gestellt und zu einem Kulturzentrum ausgebaut. Auf öffentlich zugänglichen Schautafeln in der Villa kann heute ein Einblick in die Geschichte der Fabrik gewonnen werden.

Wie in Frastanz gibt es literarische Zeugnisse der Industriegeschichte in Thüringen. Der Schriftsteller Norman Douglas und seine Halbschwester Grete Gulbransson beides Nachkommen der Familie Douglass, beziehen sich in ihren Romanen auf den Ort ihrer Kindheit und späteren Sehnsuchtsort im Walgau.

In den 1970er Jahren baute der Liechtensteiner Werkzeughersteller Hilti ein Werk in Thüringen, das heute mit 600 Mitarbeitenden ein zentraler Arbeitsgeber im Walgau ist.